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Weltwassertag

Interview mit unserem Hydrogeologen: “Mineralwasser spiegelt die lokale Umgebung wider.”
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Der Walliser Hydrogeologe Jérémie Pralong (35) erklärt, wie aus Regen ein unverwechselbares Mineralwasser wird, was ein Hydrogeologe macht und wie das Grundwasser geschützt werden muss.

Jérémie, was macht ein Hydrogeologe?
Jérémie Pralong: Ein Hydrogeologe ist ein Geologe, der auf die Erkundung, Nutzung, Bewirtschaftung und den Schutz des Grundwassers spezialisiert ist. Wir untersuchen das Gelände, führen Erkundungsbohrungen durch, interpretieren die Geologie, nehmen Proben, bewerten die Wassermenge und -qualität, untersuchen die Wechselwirkungen zwischen Oberflächen- und Grundwasser und entwickeln Karten und konzeptionelle Modelle des Grundwasserflusses.

Wozu dienen diese Daten?
J. Pralong: Aus all diesen Daten identifiziert der Hydrogeologe nutzbare Grundwasserspiegel. Auch versucht er, eine Prognose zu erstellen, um beispielsweise künftige Risiken der Übernutzung und Verschmutzung abzuschätzen. Darüber hinaus arbeiten wir Hydrogeologen viel mit den lokalen Gemeinschaften zusammen, um zu sehen, wer die gleichen unterirdischen Ressourcen nutzt und welche Herausforderungen bestehen. Auf dieser Basis schaffen wir gemeinsam nachhaltige Entwicklungsprojekte zum Schutz der Wasserressourcen. Ein ganzheitliches Wassermanagement, das am Einzugsgebiet ansetzt, nützt allen.

„Ein ganzheitliches Wassermanagement, das am Einzugsgebiet ansetzt, nützt allen.”

Wie wird aus Wasser Mineralwasser?
J. Pralong: Ein kleiner Teil des Regenwassers versickert im Boden. Jeder Wassertropfen trifft auf seiner Reise durch den Untergrund auf sehr unterschiedliche Boden- und Gesteinsarten. Diese können sehr porös, aber auch undurchlässig sein. Daraus ergibt sich für jeden Tropfen ein besonderer Weg…

Mit welchem Effekt?
J. Pralong: Die unterirdischen Gesteinsschichten reichern den Wassertropfen mehr oder weniger stark mit Mineralien an. Ein Granitgestein etwa liefert Mineralien wie zum Beispiel Kieselsäure oder Natrium. Da diese Gesteine jedoch nicht sehr löslich sind, wird der Wassertropfen auch nicht stark mineralisiert. Anders Kalkstein: Da dieser viel löslicher ist, wird der Wassertropfen schneller und intensiver mit Kalkstein und Bikarbonaten angereichert. Diese Austauschphänomene geben dem Grundwasser seine Identität. Manchmal passiert der Tropfen auch Mikroporen, die ihn wie ein natürlicher Filter reinigen.

„Die Reise von Mineralwasser kann mehrere tausend Jahre dauern.”

 

Wie lange dauert diese Reise?
J. Pralong: Diese Reise kann von einigen Jahren bis zu mehreren tausend Jahren dauern. Am Ende wird das Mineralwasser entweder durch ein Bohrloch gefasst oder es tritt als Folge der Schwerkraft als Quelle aus. 

Woher weiss man, welchen Weg natürliches Mineralwasser genommen hat?
J. Pralong: Vor allem aufgrund seiner Mineralisierung! Wenn wir den Mineraliengehalt und die Geologie der Region kennen, können wir Hypothesen über den unterirdischen Weg aufstellen. Als nächstes definieren wir das Einzugsgebiet der betreffenden Quelle. Schliesslich nehmen wir isotopische Untersuchungen vor: Wir nehmen Proben unseres Mineralwassers, aber auch aller anderen Wässer der Region, um die Versickerungshöhe zu verstehen. Und mit Pumpversuchen können wir die Fliessgeschwindigkeiten im Grundwasserleiter und dessen Geometrie charakterisieren. Schliesslich führen wir Tests mit fluoreszierenden, aber harmlosen Indikatoren durch. Diese injizieren wir in Zonen, von denen wir glauben, dass sie für eine Infiltration günstig sind. Wir messen die Reaktion in flussabwärts gelegenen Quellen über einen Zeitraum von mehreren Monaten und können so die Transitzeit definieren.

Welche Arten von Quellen gibt es in der Schweiz?
J. Pralong: Dank der Alpen hat die Schweiz eine grosse geologische Vielfalt und ein einzigartiges Klima, mit viel Schneefall im Winter. Aufgrund dieser Schneefälle existieren die Gletscher. Der Schweiz haben sie den Titel «Wasserschloss Europas» verliehen. Grundsätzlich gibt es hier drei Arten von Grundwasserleitern:
-    Lockergesteins-Grundwasserleiter finden wir in den Flusstälern des Mittellandes und entlang der grossen Alpentäler. Zwischen Kieselsteinen und Sandkörnern befindet sich eine Vielzahl von Poren, die wie ein Schwamm erhebliche Mengen an Wasser aufnehmen können. 
-    Kluft-Grundwasserleiter gibt es in den Alpen. Die Entstehung der Alpen hat bis dahin horizontale Schichten enormem Druck ausgesetzt. Sie wurden angehoben, überlagerten und falteten sich. Dabei entstanden unzählige Risse im Gestein, durch die das Wasser sickern kann. 
-    Karst-Grundwasserleiter befinden sich häufig im Jura und in den Voralpen. Wasser löst den Kalkstein auf und formt über Jahrtausende hinweg bizarre Formen in der Landschaft. Im Untergrund entstehen Hohlräume, Gänge und Höhlen. Diese füllen sich oft mit Wasser und bilden wichtige Wasserreserven. 

Welches sind die künftigen Herausforderungen für die Wasserversorgung?
J. Pralong: In der Schweiz verändert der Klimawandel die Durchschnittstemperatur und die Verteilung der Niederschläge. Die Gletscher schmelzen, die Niederschläge in Form von Schnee nehmen ab. Dadurch konzentriert sich der Nachfluss in die Grundwasserleitern auf kürzere Zeiträume. Ohne Schnee und Gletscher verteilt sich das Nachfliessen nicht über das ganze Jahr.

„Es ist wichtig, den Klimawandel zu untersuchen, um seine Auswirkungen vorhersehen zu können.”

Sind die Tage der Schweiz als Wasserschloss Europas gezählt?
J. Pralong: Ich glaube nicht, dass die Auswirkungen des Klimawandels so brutal sein werden. Aber es ist wahrscheinlich, dass einige Regionen unter stärkerer Trockenheit leiden werden und gewisse Quellen versiegen werden. Daher ist es wichtig, den Klimawandel zu untersuchen, um seine Auswirkungen vorhersehen zu können. Derzeit wird Wasser in der Schweiz hauptsächlich von den Gemeinden verwaltet…

…was einen globalen Ansatz erschwert?
J. Pralong: Das stimmt. Aber wenn wir die Wasserressourcen nachhaltig bewirtschaften und dem Klimawandel zuvorkommen wollen, ist es unerlässlich, am Wassereinzugsgebiet anzusetzen. Dieser neue Ansatz ist eine Herausforderung für die Schweiz.

In gewissen Regionen ist die Grundwasserqualität gefährdet. Was kann man tun?
J. Pralong: Die Belastung von Grundwasser durch Abbauprodukte von Pestiziden, also Metaboliten, ist eine grosse Herausforderung. Wegen der intensiven landwirtschaftlichen Nutzung sind vor allem im Schweizer Mittelland viele Grundwasser-Ressourcen tangiert. Es ist für die Schweiz unerlässlich, sich in Richtung einer Landwirtschaft zu bewegen, die weniger Pflanzenschutzmittel einsetzt.

Heisst die Lösung «Bio»?
J. Pralong: Bio-Landbau mag als schnellste und einfachste Lösung erscheinen. Aber er ist für die Landwirte sehr restriktiv. Ausserdem: Sind die Schweizer bereit, mehr für Karotten zu bezahlen und ausschliesslich Bioprodukte zu kaufen? Es gibt technische Lösungen, bei denen bestimmte Produkte eingesetzt werden – sehr gezielt und in reduzierten Mengen. Diese Lösungen müssten von den Schweizer Landwirten grossflächig umgesetzt werden.

„Grundsätzlich ergänzen sich Leitungs- und Mineralwasser.”

Was wird strenger kontrolliert, Hahnenwasser oder natürliches Mineralwasser?
J. Pralong: In der Schweiz wird Leitungswasser sehr streng kontrolliert. Zum Schutz der Ressource müssen die gleichen Massstäbe wie bei Mineralwasser angelegt werden. In den Bergen ist die Qualität der Quellen unfassbar hoch, egal ob es sich um Mineral- oder Hahnenwasser handelt. Der Unterschied liegt in der Anzahl der Kontrollen und in der beständigen mikrobiologischen Qualität. Eine Gemeinde überprüft ihre Wasserversorgung regelmässig und fügt manchmal ein wenig Chlor hinzu, um mikrobiologische Abweichungen auszugleichen. Sie kann sich eine Quellfassung erlauben, in der manchmal mikrobiologische Ereignisse auftreten. Der Mineralwasserproduzent, der sein Wasser nicht aufbereiten darf, kontrolliert seine Quelle viel öfter und unternimmt alles zu ihrem Schutz. So werden mikrobiologische Abweichungen vermieden. Aber grundsätzlich ergänzen sich Leitungs- und Mineralwasser. Wasser – aus der Flasche oder vom Hahn – sollte einfach die erste Wahl sein, da es keinen Zucker enthält.

Und ausserhalb der Schweiz?
J. Pralong: In vielen Entwicklungsländern ist das Leitungswasser nicht trinkbar, ja man kann es nicht einmal zum Zähneputzen verwenden. In diesen Fällen bietet das strikt kontrollierte Mineralwasser die Sicherheit, sauberes und sicheres Wasser zu haben.

Wie wichtig ist natürliches Mineralwasser für Sie persönlich?
J. Pralong: Mineralwasser hat in der Gastronomie und im Detailhandel einen wichtigen Platz. Der Konsument kann zwischen einem gesüssten oder einem ungesüssten Getränk auswählen. Ich mag es, auf Reisen lokales Mineralwasser zu probieren, denn es spiegelt die lokale Umgebung wider. Es ist vergleichbar mit einer Reise durch den Untergrund einer Region mithilfe der Geschmacksknospen. Oft mache ich dabei überraschende Entdeckungen. Wer an meinen Worten zweifelt, koste einmal Vichy Catalan in Barcelona – und entdecke seinen salzigen Geschmack, zu geniessen mit einer Scheibe Zitrone!
 

Zur Person

Jérémie Pralong ist seit 2019 zuständig für die Wasserressourcen von Nestlé Waters in Europa (mit Ausnahme von Italien und Vittel). Bevor er 2015 als Water Resource Manager Latin America & Caribbean zu Nestlé Waters kam, arbeitete er in einem Geologie- und Ingenieurberatungsbüro im Wallis. Jérémie studierte Geowissenschaften, Umwelt, Hydrogeologie und Geothermie in Neuchâtel, Uppsala (Schweden) und Lausanne. Von 2009 bis 2015 war er Mitglied des Walliser Grossen Rates.

 

Mehr Informationen:
Meike Schmidt | Nestlé Waters (Suisse) SA | 026 668 6834 | [email protected]